Fussball-WM 2022 in Katar: Boykottieren oder nicht? Eine Entscheidung, die jede:r für sich treffen muss.
Die einen freuen sich, die anderen wollen mit Fussball in diesem Winter nichts zu tun haben. An der Fussball WM 2022 in Katar scheiden sich die Geister. Wir wollen gar nicht erst versuchen, die vielen Vorwürfe gegen die FIFA, die Vergabemethoden von grossen Sportereignissen oder das Emirat Katar mitsamt der politischen Führung zu entkräften.
Hinsehen, wo andere zuschauen...
Man kann die Ansicht teilen, die Probleme seien gelöst, wenn man die WM-Spiele boykottiert oder dem Land die gesamte WM sogar weggenommen hätte. Dass damit aber die Probleme im Land in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen kleiner wären, ist kaum vorstellbar. Ein Boykott würde mit Sicherheit unser Gewissen beruhigen, zugleich aber auch den öffentlichen Druck auf die politische Führung in Katar nehmen. "Dank" der Fussball-WM in Katar steht das Land im Rampenlicht und muss sich öffentlich seinen Missständen stellen. Es besteht die Möglichkeit, dass sich so Verbesserungen der Menschenrechte und Reformen eher durchsetzen lassen als durch Boykott.
Ein (in gewissem Masse) fairer Umgang mit Katar in Bezug auf die formulierten Reformen gehört dazu. Bei Katars Nachbarn, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Saudi-Arabien, herrschen teilweise noch schlimmere Verhältnisse. Das heisst keineswegs, dass es die Situation in Katar verbessert. Deshalb ist genaues hinsehen der Weltgemeinschaft während und nach der WM unerlässlich, damit Reformen nicht nur zugesagt, sondern auch umgesetzt werden.
Die Spieler, eigentlich die Haupt-Akteure an einem Fussballturnier, spielen nicht für gut oder böse. Sie spielen auch nicht für Menschenrechte oder gegen Korruption, sondern um die grösste Trophäe ihrer Sportart. Als Fussballfan soll man daran teilhaben dürfen, ohne dass dies als politische Parteinahme verstanden wird.
...oder doch komplett ignorieren?
Eine Fussball-WM ist eigentlich eine tolle Sache. Dieses Mal scheint aber alles anders zu sein. Eine emotionsgeladene Fussball-Nation ist das Emirat Katar wahrlich nicht. Vielleicht einer der Gründe dafür, dass der Fussball bei dieser WM hinten anstehen muss. Im Sommer ist es im Wüstenstaat zu heiss, um Fussball zu spielen. Deshalb findet die WM das erste Mal überhaupt im Winter statt. Die Spielpläne der nationalen Ligen müssen angepasst werden und die Spieler sehen sich mit einem (noch) dichteren Spielplan und wenig Erholung konfrontiert.
Seit der Vergabe der WM halten sich die Korruptionsvorwürfe gegen Katar hartnäckig. Es heisst, Katar habe sich die Weltmeisterschaft gekauft. Als wäre die Korruption nicht genug, hält sich das Emirat nicht im Ansatz an grundlegende Menschenrechte (Benachteiligung von Frauen, Unterdrücken von Schwulen und Lesben und so weiter).
Abgesehen davon muss man sich fragen, ob es in Zeiten von Klimawandel und Ressourcenknappheit angebracht ist, auf Wüstenboden für knapp einen Monat Stadien und Infrastruktur zu bauen, die wohl nach dem Abpfiff des WM-Finals in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.
Was bleibt?
Die Zwiespalt zwischen Freude am Spiel und Ablehnung von menschenrechtsverletzenden Grossanlässen. Schlussendlich muss jede*r von uns für sich eine Entscheidung treffen. Egal wie die Entscheidung ausfällt: Hinsehen statt nur zusehen war während einer Fussball-WM wohl noch nie so wichtig wie jetzt. Und wir sollten uns freuen über jedes Transparent und jede Regenbogenfahne, die in ein WM-Stadion geschmuggelt wird. Genau so wie für jeden Akteur, der auf oder neben dem Platz seine Meinung kundtut.
Brauchst du mehr Informationen? Amnesty International recherchiert umfassend über die Menschenrechtsverletzung rund um die Fussball-WM 2022. Viele Informationen zu diesem Thema findest du direkt bei Amnesty International. Die Organisation setzt sich weltweit für den Schutz von Menschen ein. Mit einer Spende kannst du Amnesty International finanziell unterstützen.